Category: Allgemein

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Was KIRA von anderen Lehrbetrieben in Guinea unterscheidet

KIRA ist nicht das einzige Schneideratelier in Guinea, welches Lehrlinge ausbildet. Es gibt sogar einige Betriebe, die schon lange bestehen und teilweise bis zu 100 Lehrlinge gleichzeitig ausbilden. Da stellt sich natürlich die berechtigte Frage: Wozu braucht es das KIRA Ausbildungszentrum?

Im Frühjahr 2022 besuchte KIRA-Gründerin Saran Keita zwei Schneiderateliers in Conakry, welche ebenfalls Lehrlinge ausbilden. Ihr Ziel war es, das Ausbildungskonzept dieser Betriebe besser zu verstehen und im besten Fall etwas für unser eigenes Schneideratelier zu lernen. Der direkte Vergleich verdeutlichte allerdings: KIRA funktioniert völlig anders als andere Lehrbetriebe in Guinea.

Unterschied Nr. 1: KIRA bezahlt Lehrlingslöhne

Zum Beispiel erhalten die Lehrlinge in anderen Ateliers für ihre Arbeit keinen Lohn. Stattdessen müssen sie für ihre Ausbildung sogar bezahlen, und zwar eine Einschreibungsgebühr von umgerechnet 25€, sowie zusätzlich monatliche Gebühren von 6€.  Gemessen am lokalen Einkommensniveau sind das sehr hohe Summen. Zudem ist es üblich, dass Arbeitsmaterialien wie Nähmaschinen nicht vom Ausbildungsbetrieb bereitgestellt werden, sondern von den Lehrlingen selbst erworben werden müssen.

Das bedeutet, nur Personen aus finanziell besser gestellten Familien können sich solch eine Ausbildung überhaupt leisten. KIRA als wohltätige Organisation bietet stattdessen bezahlte Lehrstellen, wie das auch in der Schweiz üblich ist. Die Nähmaterialien stellen wir unseren Lernenden kostenlos zur Verfügung. Zudem erhalten alle unsere Lehrlinge bei ihrem Eintritt eine Nähmaschine, welche sie nach ihrer Ausbildung mitnehmen dürfen. 

Damit wollen wir einerseits erreichen, dass auch Jugendliche aus einkommensschwachen Familien eine Ausbildung absolvieren können. Andererseits sollen unsere Lernenden bereits während ihrer Ausbildung ihre Familien finanziell unterstützen können. Dadurch erhalten sie von ihren Familien auch mehr Verständnis für ihre Ausbildung.

Unterschied Nr. 2: KIRA bietet anständige Arbeitsbedingungen

Auch hinsichtlich der Infrastruktur unterscheidet sich KIRA von anderen lokalen Ateliers. Deren Ziel ist es nämlich in erster Linie, Gewinn zu erwirtschaften. Vermutlich, um diesen Gewinn zu maximieren, sparen die Betriebe unter anderem stark an den räumlichen Anlagen. 

Saran fielen bei ihrem Besuch die undichten Dächer der genutzten Blechhütten auf. Auch die sanitären Anlagen waren nur mangelhaft erhalten. Das ist besonders prekär, wenn man bedenkt, dass in diesen Betrieben oft bis zu 100 Auszubildende angestellt sind. Wir sind davon überzeugt, dass sich die mangelhafte Infrastruktur negativ auf die Betreuungsqualität auswirkt.

Unterschied Nr. 3: KIRA bietet eine ganzheitliche Ausbildung

Zuletzt bietet KIRA eine vollumfängliche Berufsausbildung, während andere lokale Lehrbetriebe den Fokus in der Regel ausschliesslich auf das Handwerk selbst legen. Wir priorisieren auch die Alphabetisierung der Jugendlichen und bringen ihnen das Führen einer einfachen Buchhaltung bei. Denn diese Fähigkeiten brauchen die Lernenden, wenn sie später einmal erfolgreich in einem Betrieb arbeiten oder sogar ihr eigenes Schneideratelier eröffnen möchten.

Darum braucht es KIRA. Wir legen alles daran, unseren Lernenden in einem menschenwürdigen Umfeld all jenes Wissen zu vermitteln, welches ihnen  ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht.

Bildung stärkt das Selbstbewusstsein

Mädchen sind in Guinea besonders stark benachteiligt

Aufgrund der vorherrschenden Armut in Guinea können es sich viele Eltern nicht leisten, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Nur rund 75 Prozent aller Kinder werden überhaupt erst eingeschult. Der Anteil der Jungen (86 Prozent) ist dabei deutlich höher als der der Mädchen (71 Prozent).

Anstatt die Schule zu besuchen, müssen Mädchen im Haushalt mithelfen. Aufgrund ihrer fehlenden Schulbildung haben sie kaum eine Möglichkeit, ihre Familie finanziell zu unterstützen. Stattdessen werden die Mädchen sehr jung – bereits ab einem Alter von 14 Jahren – gegen ihren Willen verheiratet, meist an wesentlich ältere Männer.

Die Zwangsverheiratung jugendlicher Mädchen gehört in Guinea leider zur Tagesordnung. Die Mädchen sind ein Leben lang finanziell abhängig: zuerst von ihren Eltern, später von ihrem Ehemann und dessen Familie. Sie haben kaum Möglichkeiten, ihr Leben zu gestalten. Das möchten wir ändern!

Bildung stärkt das Selbstwertgefühl

Unsere Schneiderausbildung richtet sich gezielt an Mädchen aus besonders armen Verhältnissen. Wir möchten erreichen, dass die Mädchen später ihr eigenes Geld verdienen, und ihre Familien unterstützen können. Sie sollen ihren Ehemann frei wählen und später einmal ihre Kinder ebenfalls in die Schule schicken können.

Im Frühjahr 2022 besuchte Saran Keita, die Gründerin und Präsidentin von KIRA, das Ausbildungszentrum, um sich persönlich ein Bild vom Fortschritt der Mädchen zu machen. Sie wollte ausserdem erfahren, wie zufrieden die Mädchen mit ihrer Ausbildung sind. Und die Rückmeldungen waren sehr erfreulich!

Besonders die handwerklichen Fähigkeiten der Mädchen haben sich in den vergangenen zwei Jahren ihrer Ausbildung stark verbessert. Aber was noch viel wichtiger ist: Im Laufe ihrer Lehre haben unsere Auszubildenden deutlich an Selbstvertrauen gewonnen. 

Unsere Lehrlinge haben inzwischen ambitionierte Zukunftspläne, bei denen einige gar eine Anstellung in grösseren Haute Couture Ateliers anstreben. Andere planen, sich im Anschluss an die Lehre selbstständig zu machen. Zudem möchten einige Lehrlinge zukünftig ebenfalls andere junge Menschen in ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen – ganz nach dem Vorbild von KIRA. 

Gelernt haben die Mädchen, Kleider zu nähen. Aber erhalten haben sie etwas noch viel Wertvolleres: eine Zukunftsperspektive. 

Dank der Einnahmen aus unserem Event im Dezember 2021 konnten wir unseren Lehrlingen endlich auch ihre wohlverdienten Lehrlingslöhne auszahlen.

Verbesserte Qualität unseres Bildungsprogramms

Gespräche mit der Lehrerin und den Lernenden zeigten allerdings auch, dass die Mädchen im Lesen und Schreiben noch nicht so weit fortgeschritten sind wie erhofft. Wir arbeiten darum nun verstärkt daran, eine Lehrperson zu finden mit besonderen Kenntnissen in der Bildung von Jugendlichen und Erwachsenen.

Wir möchten ausserdem so bald wie möglich weiteren Jugendlichen einen Ausbildungsplatz anbieten können. Saran führte darum Interviews mit mehreren Heranwachsenden, welche sich ebenfalls für eine KIRA Ausbildung interessieren. Insgesamt 17 Jugendliche zeigten sich als geeignet für eine Berufsausbildung im Atelier. Leider können wir aktuell aufgrund unserer begrenzten finanziellen Mittel nur 10 weitere Lehrlinge aufnehmen.

Erfahren Sie mehr über unser Ausbildungszentrum und helfen Sie mit! Nur dank der Unterstützung von unseren Spenderinnen und Spendern können wir weitere Jugendliche in unser Ausbildungszentrum aufnehmen:

Weltfrauentag: Zukunft schaffen für Mädchen und Frauen in Guinea

Der heute stattfindende internationale Frauentag wurde erstmals am 19. März 1911 durchgeführt. Er ist eine Errungenschaft von sozialistischen Organisationen im Kampf um die Gleichberechtigung, politische Teilhabe und Unabhängigkeit der Frauen. Ein Beschluss der «Zweiten Internationalen Konferenz kommunistischer Frauen» verschob den Termin ab 1921 auf den 8. März.

Seither wird dieser Tag zum Anlass genommen, um für die Rechte der Frauen zu kämpfen und auf die weltweit weiterhin vorhandenen Missstände aufmerksam zu machen.

Auch in Guinea ist die Lage der Mädchen und Frauen noch immer prekär. Guinea gehört zu den Ländern mit der weltweit tiefsten Alphabetisierungsrate generell und insbesondere der weiblichen Bevölkerung. Knapp 80% der Guineerinnen können nicht lesen und schreiben. Durch die fehlende Bildung sind Zwangsverheiratung und Ausbeutung oft ihre einzige Perspektive für die Zukunft. Von einer gleichberechtigten Gesellschaft ist Guinea weit entfernt.

KIRA setzt alles daran, dies zu ändern. Wir ermöglichen Mädchen und jungen Frauen eine Schul- und Berufsbildung. Dadurch bieten wir ihnen eine alternative Perspektive für eine bessere Zukunft.

Traditionelle Kleidung aus Guinea: Alltagsbekleidung

Das Bild des guineischen Alltags ist geprägt durch seine farbenfrohen Kleider mit lebendigen Mustern. Die meisten Kleidungsstücke werden aus sogenanntem «Pagne Wax» hergestellt. Dabei handelt es sich um einen bedruckten Baumwollstoff. Der englische Begriff dafür ist Wax Print.

Die Lehrerin des KIRA Ateliers trägt ein traditionelles Kleid aus Pagne Wax.

Neben Frauenkleidern werden aus diesem auch Kleider für Männer und Kinder genäht. Als Bürokleidung sieht man bei Männern oft Jeans und Hemden. Kinder und junge Erwachsene tragen ausserdem oft (Secondhand-) Kleider aus Europa. 

Wohlhabendere Menschen und teilweise auch Angehörige des Mittelstandes tragen auch Alltagsbekleidung aus teurem Baumwolldamast, welcher Bazin genannt wird sowie Kleidungsstücke aus einer Kombination aus Waxprint und Bazin. Die Mehrheit der guineischen Bevölkerung trägt Bazin jedoch ausschliesslich für besondere Gelegenheiten.

Für die Herstellung der Waxprints wird eine farbabweisende Paste wie Wachs, Harz oder Stärke auf einen Baumwollstoff aufgetragen, bevor dieser beidseitig gefärbt wird. Nach dem Farbbad wird die Paste entfernt und es entsteht ein helles Muster. 

Die afrikanischen Wachsstoffe entstanden Anfang des 19. Jahrhunderts und sind von den Batikstoffen aus dem ehemaligen Niederländisch-Ostindien abgeleitet. Ursprünglich wurden sie von der Firma Vlisco in den Niederlanden hergestellt, welche um 1846 mit anderen niederländischen Unternehmen die Herstellung von Waxprints automatisierte. Inzwischen gibt es auch Anbieter von Waxprints aus dem Senegal und der Elfenbeinküste. Seit wenigen Jahren bedient zudem China mit besonders günstigen Waxprints den Markt.

In unserem Atelier in Guinea werden täglich Kleidungsstücke aus Waxprint genäht. Dazu werden Stoffe aus dem Senegal und der Elfenbeinküste verwendet, welche auf dem lokalen Markt erworben werden. Auf die Verwendung von importierten Stoffen aus den Niederlanden oder China wird dabei bewusst verzichtet, um die lokale Produktion in der Region zu unterstützen. Durch die Herstellung von traditioneller Alltagsbekleidung wird zudem ein grosser gesellschaftlicher und kultureller Beitrag vor Ort geleistet.